Clair Obscur: Expedition 33 ist ein einzigartiges rundenbasiertes Kampfspiel, in dem Echtzeit-Mechaniken eine zentrale Rolle spielen, die das Spielkonzept aufwerten. Welche Herausforderungen zeigten sich bei der Entwicklung dieser Kampfmechaniken? Wie haben Sie bewertet, ob sich das Gameplay richtig anfühlte?
Guillermin: Schon früh im Projekt entwickelten Guillaume und ich Prototypen für das reaktive rundenbasierte Kampfsystem mit Echtzeit-Gameplay für die Angriffe, zum Beispiel Quicktime-Events beim Wirken von Zaubern oder die Mechanik zum freien Zielen, und die Verteidigung, etwa beim Ausweichen und Parieren. Schon in den simplen Prototypen waren wir schnell überzeugt davon, dass genau das dem rundenbasierten Genre etwas Neues bot. Es dauerte etwas, die richtige Balance für die Echtzeit-Elemente zu finden. Insbesondere die zeitliche Abstimmung beim Ausweichen und Parieren war komplex, doch ich glaube, dass wir es nun gut hinbekommen haben. Und es fühlt sich einfach klasse an, nach einer Reihe erfolgreicher Paraden einen Konter zu landen!
Ich weiß noch, als wir die Funktionen mit dem Team zum ersten Mal im Spiel getestet haben. Das war noch sehr früh in der Entwicklungsphase in einer Demo, die das Kampfsystem zeigen sollte. Alle versuchten, einen Boss zu besiegen. Sie reichten den Controller nach jedem Fehlschlag weiter an den nächsten Kollegen. Da wurde uns klar, dass wir etwas richtig Tolles und Einzigartiges erschaffen hatten, dass das Spiel maßgeblich definieren sollte.
Unsere Formel erlaubt es Spielern, die gut in Echtzeitkämpfen sind, mehr Risiken einzugehen, doch andere Spielertypen können das mit bestimmten Gegenständen und Strategien ausgleichen.
Im Kampf gibt es eine kinematografische Kamera, die visuelle Abwechslung in die Gegnerinteraktionen bringt. Wie kamen Sie auf die Mechanik und wie lief die Entwicklung ab?
Guillermin: Wir legten großen Wert darauf, wirklich ausgereifte, stimmige Animationen, Kameraaktionen und VFX in Kämpfen zu bieten. Selbst bei der Navigation in Menüs passiert immer etwas auf dem Bildschirm.
Um die größtmögliche Flexibilität beim Erstellen dieser Elemente zu gewährleisten, setzten wir Sequencer von Unreal ein. Wir behandelten alle Fertigkeiten als kleine Zwischensequenzen, in die wir dynamisch bestimmte Kampf-Actors einbanden. Mit dem Ansatz bekommt das Team unglaublich viel Flexibilität, um epische Kampfaufnahmen hinzubekommen.
Da wir ein rundenbasiertes Spiel entwickeln, sind die Kampforte in der Regel festgelegte, kontrollierte Umgebungen. Das System gibt unseren Level-Designern aber die Möglichkeit, trotzdem individuelle Anpassungen etwa bei der Gegnerpositionierung vorzunehmen. Eine Schwierigkeit dabei war die Integration dynamischer Bewegungen in unsere Level-Sequenzen. Ein Beispiel dafür wäre, wenn ein Gegner von seiner zufälligen Position auf einen Charakter im Team zu springt. Für diese Art von Funktion machten wir üblicherweise einige Actor-Eigenschaften für den Sequencer zugänglich und steuern sie mit Keyframes in bestimmten Tracks. So behalten wir die künstlerische Kontrolle über die Entwicklung einer Gameplay-Eigenschaft.
Gemessen an der umwerfenden Detailliertheit des Gameplays und der beeindruckenden Qualität fällt es den Leuten schwer, zu glauben, dass das der Debüttitel von Sandfall Interactive ist. Wie groß ist das Entwicklerteam und wie hat Ihnen Unreal Engine geholfen, Ihre Ziele für das Spiel zu erreichen?
Guillermin: Unser Kernteam besteht aus nicht einmal 30 Leuten, die sich auf unser Hauptbüro in Montpellier (dort arbeiten um die 25 Leute) und eine kleine Niederlassung in Paris (fünf Kollegen) aufteilen.
Das ist wirklich ein recht kleines Team, wenn man sich den Umfang des Projekts hinsichtlich Gameplay-Funktionen und der Vielzahl an Inhalten ansieht. Unser Team ist sehr talentiert. Obwohl das für viele Kollegen im Team das erste Projekt überhaupt ist, hat uns die Unreal Engine in die Lage versetzt, eine Vision Wirklichkeit werden zu lassen, die noch vor wenigen Jahren für ein Team von unserer Größe unvorstellbar war.
Ich denke, dass wir auch viel Glück hatten, weil unsere Entwicklungszeit mit der Veröffentlichung von Unreal Engine 5 überlappte. Die war insbesondere wegen der vielen neuen Rendering-Funktionen ein absoluter Gamechanger für uns!
Vorhin habe ich schon von Blueprints gesprochen. Ich bin der Meinung, dass die bei der Gameplay-Entwicklung eine Schlüsselrolle im Projekt gespielt haben. Damit waren wir sehr flexibel und konnten viele Funktionen und Inhalte als kleines Team realisieren, für die nicht jeder umfassende C++-Kenntnisse benötigt.
Bevor unser Programmiererteam auf vier Leute anwuchs, war ich für einige Jahre der einzige Programmierer im Team. In der Zeit setzten wir massiv auf Blueprint-Visual-Scripting, denn es gibt Leuten, die nicht viel von Programmierung verstehen, viele Freiheiten, den Spielcode zu verstehen, eigenständig Änderungen vorzuschlagen oder bestehende Funktion selbst zu verfeinern.
Für ein kleines Team war es entscheidend, dass alle auf so viele Bereiche des Projekts wie möglich zugreifen konnten und nicht von einer Code-Mauer aufgehalten wurden. Selbstverständlich bringt das ganz eigene Herausforderungen etwa bei den Produktions- und Überprüfungsprozessen mit sich, aber insgesamt trug es unglaublich viel zur Verwirklichung der Detailliertheit des Gameplays bei.
Clair Obscur: Expedition 33 ist ein visuelles Spektakel mit einer betörend schönen Welt. War diese künstlerische Stilrichtung schon von Anfang an klar oder hat sich das erst im Laufe des Projekts herauskristallisiert?
Guillermin: Unser Art Director Nicholas Maxson-Francombe verbrachte zusammen mit Guillaume viel Zeit damit, die künstlerische Gestaltung so aufeinander abzustimmen, dass daraus schlussendlich der visuelle Genuss wurde, den wir heute erleben können. Unsere Geschichte spielt in einer an Frankreich angelehnten Fantasiewelt, weshalb wir natürlich sehr erpicht darauf waren, ein einmaliges Erlebnis zu erschaffen, das unser Spiel zu etwas Besonderem macht.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass Nicholas immer zu sagen pflegte, sein Designprozess basiert darauf, "Dinge zu zeichnen, die cool aussehen". Er fing immer zusammen mit Guillaume mit einigen groben Ideen an und arbeitete dann die Details aus. Ich finde, diese ungewöhnliche Herangehensweise bei der Zusammenarbeit und Entwicklung des Kunststils mit Guillaume führte schließlich zu dem Stil des Spiels, den wir heute erreicht haben.